"Leo und der Fluch der Mumie"

Weil Lesen eine Bereicherung ist und Bücher einem auf besondere Weise Erlebnisse und Erfahrungen vermitteln, die man selbst vermutlich nie machen wird, gehört die Leseförderung auch in der Schule zu den zentralen Bereichen des Deutsch-Unterrichts. Erfreulicherweise gibt es auch heute noch viele Kinder, die gerne in die Welt der Literatur eintauchen und sich von Geschichten unterschiedlichster Art in den Bann ziehen lassen. Aber welches Kind weiß schon, wie so eine Geschichte überhaupt entsteht? Und wer sich hinter dem Text verbirgt?

Die Klasse 5a hatte nun Gelegenheit, genau diesen Fragen nachzugehen. In den Wochen vor Weihnachten stand das Buch „Leo und der Fluch der Mumie“ von Claudia Frieser als Lektüre auf dem Programm. Dieser Roman, der von dem Berliner Zeitungsjungen Leo erzählt, der aufgrund der politischen Situation in Deutschland im Jahr 1933 mit seiner Familie auf einem großen Dampfschiff nach Amerika auswandert und während der Überfahrt spannende Abenteuer erlebt, in denen auch noch eine ägyptische Mumie eine Rolle spielt, begeisterte die Kinder vor allem aufgrund der vielen unterschiedlichen Aspekte, die zu einer spannenden Geschichte verwoben waren. Wilhelm, der Schiffsjunge, der unterhaltsames und bisweilen schauriges Seemannsgarn spinnt, Luise, das selbstbewusste Mädchen aus reichem Hause, für das Klassenunterschiede keine Rolle spielen, wenn es um Freundschaft geht, Emilè, der aus einer Schaustellerfamilie stammt, die ebenfalls in New York ihr Glück sucht, sowie Benji und Sarah, zwei jüdische Kinder, die als blinde Passagiere um ihr Leben fürchten – der Reichtum an Charakteren macht das Buch so vielseitig und für Jungen wie Mädchen gleichermaßen interessant.
Zum Abschluss der Lektüreeinheit stand dann ein besonderes Erlebnis an: Claudia Frieser, die Autorin der Geschichte, stattete der Klasse einen Besuch ab und gab den Kindern einen Einblick in die Entstehung des Buches und ihre Tätigkeit als Autorin. Anders als bei einer Lesung in größerem Rahmen wurde so ein reger persönlicher Austausch möglich, bei dem die Schülerinnen und Schüler Antwort auf all ihre Fragen bekamen. So erfuhren sie z.B., dass Frau Frieser eigentlich Archäologin ist - was ihre große Leidenschaft für die Vergangenheit erklärt - und erst später zur Schriftstellerei kam. Sie erklärte den Kindern, wie sie auf unterschiedliche Weise für das Buch recherchiert hat, dass das Internet allein, zumal wenn es um historische Dinge geht, als Quelle nicht umfassend und ausreichend ist und ggf. auch kritisch zu hinterfragen ist. Auch erzählte sie davon, woher sie Anregungen zu Themen oder einzelnen Figuren bekommt, so z.B. aus der eigenen Familiengeschichte oder aus der Betrachtung historischer Fotos, die dann die Fantasie anregen. Zu jedem ihrer Werke hat sie ein eigenes Notizbuch, in dem sie im Vorfeld alle Ideen und Gedanken festhält. Auch dieses hatte sie dabei, um es den Kindern zu zeigen. Neben den Ausführungen zum Entstehungsprozess des Buches ging es aber auch um den Inhalt, die Auswanderergeschichte, die erzählt wird. Mehrfach wies sie im Gespräch auch darauf hin, dass man nicht vergessen sollte, dass auch Deutschland einmal ein Land war, das von Menschen verlassen wurde, weil sie anderswo auf ein besseres Leben hofften. Ein Gedanke, der gerade angesichts der aktuellen Situation nicht in Vergessenheit geraten sollte. Die Aussage von Frau Frieser, dass viele Verlage momentan leider kein Interesse mehr an der Veröffentlichung historischer Kinderbücher haben, machte die Schülerinnen und Schüler regelrecht betroffen. Um so wichtiger erscheint es daher, den Kindern neben der allseits bekannten Mainstream-Literatur auch andere Leseangebote zu machen.

Nachdem sich die Klassensprecher abschließend unter großem Applaus noch einmal für den Besuch bedankt hatten, nahm Frau Frieser sich auch noch die Zeit, die mitgebrachten Bücher zu signieren. So wird den Kinder diese besondere Deutsch-Stunde gleich mehrfach hoffentlich dauerhaft in Erinnerung bleiben.

Dorothee Heger