Vom „Literarischen Abend“ 2018

Sterntaler, Himmelsgeschenke, die beim Auftreffen auf dem Boden detonieren: mit einem Antimärchen von Fritz Deppert begann der Literarische Abend 2018; und auch in der Folge wurde dem Publikum wie den Vorlesern (1) emotional viel abverlangt und zugemutet. Gedichte (2), Romanausschnitte (3), Passagen aus Autobiographien (4), verbunden durch das Thema „Krieg“: eine Revue des Erschütternden, Ekelhaften, Schockierenden, deren vielfach wiederkehrende Einzelheiten (etwa die Begegnung mit stupid sadistischen „Schleifer“-Typen) sich trotz des Vorübereilens oft genug schmerzhaft einprägen konnten, wenn sie auch durch ein paar distanziertere, satirische Texte unterbrochen wurden. Als Beispiel für letztere zu nennen sind Kurt Tucholskys Glosse „Der bewachte Krieg“ – darin der lapidare Satz „Soldaten sind Mörder“ - und zwei ganz kurze Stellen aus der „Fackel“ von Karl Kraus genannt („Meine Anregung“: von der Zensur getilgt); zudem eine sprachspielerisch verfremdende „Episode“ aus dem Langgedicht „Zuginsfeld“ des avantgardistischen Spätexpressionisten Otto Nebel. Für die glorifizierende und heroisierende Sicht auf den 1.Weltkrieg stand ein Abschnitt aus „Mein Kampf“, -dessen Wahrheitsgehalt im Faktischen bei genauerem Hinsehen so fragwürdig ist wie die Echtheit der angeblich während des Kampfs empfundenen Gefühle. Ernst Jünger gehörte zu den Autoren, die nicht berücksichtigt werden konnten (5). Vor der Pause, in der man sich am Buffet (Dank der Mensa!) ein wenig erquicken konnte, folgten Johannes Klehr und Eugen Ullmann auf bemerkenswerte Weise dem Rat, man solle Krieg, Militarismus, Militär nicht so sehr durch Betonung des Hassenswerten zum Faszinosum aufblasen als vielmehr „entzaubern“, etwa durch Verhohnepiepelung: das gelang ihnen mit dem „Oberstleutnant“ der Worried Men Skiffle Group („Ich hab‘ den Oberstleutnant gern“) so glänzend, dass die für die „Entspannung“ dankbaren Zuhörer amüsiert mitsangen, ihnen dann freilich gerne aus vollem Herzen „Ach, habt’s uns doch gern!“ zugerufen hätten. Womit der pazifistische Zweck voll und ganz erreicht war. Dann aber doch wieder: Tod, Brutalität, sinnloses Auslöschen von Leben, angeklagt von Bertha von Suttner in ihrem „klassischen“ Antikriegsroman „Die Waffen nieder!“ Wie der Krieg in den Frieden hineinreicht, zeigte Georges Brassens‘ Chanson „La Tondue“ – eine „Kollaborateurin“ wird kahl geschoren -, beigesteuert (wie auch die Zwischentexte und die Programmgestaltung) von Matthias Schleifer (! siehe oben; canis a non canendo…). Das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt, zumal Frauen, konkretisierte sich zum Hinweis auf Hilfsorganisationen wie etwa SOLWODI, die man nicht nur in der Vorweihnachtszeit durch Spenden unterstützen kann. Der melancholische Blick über einen Friedhof am Schluss von Zaharia Stancus Erzählung „Gott mit uns“ war am Ende eine weitere, intensive Formulierung der Friedenssehnsucht, die auch Jean Langlais` Orgelstück „Chant de paix“ fühlen ließ, arrangiert von Lea Dollinger und von ihr (E-Piano) und Nicolas Carvajal (Cello) als eindringliche Mahnung zu nachhaltiger Nachdenklichkeit gespielt. Es sei erlaubt, das Programm in derselben Absicht um ein paar Zeilen Dialog aus der „Zinnsoldatenlegende“ (1945) des 17jährigen Helmut Qualtinger zu ergänzen - auf die Feststellung des tapferen Schneiderleins „Ihr seid ja noch mehr Kinder als Menschen“ sagt Toni „Wieso? Wir spielen doch schon Soldaten!“ und erhält die Antwort „Glaubt ihr, weil Ihr Soldaten spielt, seid ihr Menschen? Im Gegenteil! Aber das versteht ihr noch nicht!“ Ach, wird man je verstehn? -

 

Anmerkungen:

1) Vorleser, alphabetisch geordnet: Sonja Bopp-Möhler, Jürgen Eckert, Susanne Eibl, Bernd Franze, Dr.Christa Horn, Emre Oktar, Gregor Sedlmeir, Eugen Ullmann. Ihnen allen eine „rosette“ (siehe „La tondue“)! – und Daniel Seniuk als Gast eine besonders große. Und Sonderurlaub – bis zum nächsten Mal...

2) Gedichte, darunter einige recht bekannte: von Brecht, Claudius, G. B. Fuchs, Gleim, Höllerer, Carlo Landi (lateinisch!), Morgenstern, Mühsam, Trakl.

3) Romanausschnitte: aus Jaroslav Hašek, Die Abenteuer des guten Soldaten Schwejk im Weltkrieg; Edlef Köppen, Heeresbericht; Werner Steinberg, Als die Uhren stehen blieben.

4) Autobiographisches: von Jean-Louis Barrault, Paul Feyerabend, James Krüss, Rudolf Rolfs, Peter Wehle

5) Nur ein paar wenige Namen von nicht einbezogenen Autoren: Heinrich Böll, Hans Carossa, Hans Erich Nossack; Ernst Penzoldt, Fritz von Unruh; Alexander Kluge, Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945.

 

Theresia Flamstich a. G.

 

Impressionen vom Literarischen Abend: