Eine Rezension des Klassenzimmerstücks von Daniel Ratthei
„Assalaama a‘ laikum. Diese Worte sind wie ein Zauber. Wie eine magische Formel. Nur ist es kein Abrakadabra, kein Hokuspokus, kein Simsalabim, sondern heiliger Ernst.“ Diese Worte erreichen den 16 jährigen Jona, Hauptfigur des Stückes „Jihad, Baby“ von Daniel Ratthei und treffen ihn mitten ins Herz. Zuvor scheint alles in seinem Leben schief zu laufen: Ärger mit Lehrern, verständnislose Eltern, eine unerfüllte Liebe – kurz gesagt, sein Umfeld geht ihm mit der geheuchelten politischen Korrektheit und dem oberflächlichen Lebensstil gehörig auf die Nerven. Allerdings scheinen Alkohol, Drogen und Discobesuche auch keine Lösung zu sein. Es ändert sich erst etwas, als sein Freund Musa ihn mit in die Moschee nimmt. Hier fühlt er sich plötzlich angenommen und verstanden. Nach und nach gerät er in eine extremistische Gruppe, die ihn für die Vorbereitung eines Attentats missbrauchen wollen – Jona beginnt zu zweifeln, aber schafft er noch rechtzeitig den Absprung?
Tristan Fabian vom Gostner Hoftheater Nürnberg schlüpft als Solist in die verschiedenen Charaktere und verleiht allen Figuren eine erstaunliche Tiefe. Die kraftvolle Darstellung, die Videoeinspielungen, der symbolische „rote Faden“, der sich greifbar durch den Zuschauerraum C17 zog und somit die unmittelbare Nähe spürbar machte, ließ keinen der rund 50 Zuschauer aus den Klassen 9a und b kalt: Radikalisierung von Jugendlichen gibt es und es kann überall geschehen!
Mit dem Theaterstück, das 2016 mit dem deutsch-niederländischen Jugendtheaterpreis ausgezeichnet wurde, legt der Autor Daniel Ratthei den Fokus auf ein aktuelles gesellschaftliches Thema. Wohl auch aus diesem Grund wird Jihad, Baby! momentan auf vielen deutschen Bühnen gespielt, die allesamt beste Kritiken bekamen. So verdient auch die Inszenierung von Tilmann Seidel, die erstmals am Kaiser-Heinrich-Gymnasium in einem Klassenzimmer aufgeführt wurde, ein großes Lob!
Klasse 9b, S. Bessel