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Unter diesem Motto macht Renovabis, das Hilfswerk der katholischen Kirche für Osteuropa, auf gravierende soziale Probleme v.a. in Rumänien aufmerksam. Um einen Einblick aus erster Hand zu bekommen, luden wir im Rahmen des Religionsunterrichts den Caritasdirektor der Erzdiözese Alba Julia, Dr. András Márton ein, zwei Vorträge für Schülerinnen und Schüler der 8. Und 9. Jahrgangsstufe zu halten. Er war für einige Tage über das Referat Weltkirche der Erzdiözese Bamberg im Bistum zu Gast.

Bei dieser gesamteuropäischen Thematik besteht eine belastende Schattenseite darin, dass Menschen fehlen: Sie fehlen, wenn sie ihr Land verlassen, aber nicht nur als Arbeitskräfte, sie fehlen ihren Angehörigen - der Familie, den Alten und Kranken, den Kindern. Sie fehlen aber auch im Sozialgefüge, in der Kranken- und Seniorenversorgung der Herkunftsländer. Gerade besser Qualifizierte fehlen dann, wenn sie z.B. im westlichen EU-Ausland arbeiten, immerhin 35% aller rumänischen Ärzte etwa, aber auch viele Arbeiter, die in schwedischen Stahlwerken mehr verdienen als zu Hause, dafür aber ihre Kinder nur dreimal im Jahr sehen. Pflegekräfte wirbt die deutsche Bundesregierung gleich am Flughafen in Bukarest mit großen Plakaten ab. Neben der negativen Migrationsbilanz sind die Länder Südosteuropas auch von negativen demographischen Trends erfasst, von denen sich die Überalterung der Einwohner, die niedrige Geburtenrate und die Entvölkerung am deutlichsten zeigen.

Dr. Márton berichtete von der verheerenden Armut auf dem Land, wo viele Häuser weder fließend Wasser noch eine Toilette oder eine Heizung haben. Ein Holzofen und ein Plumpsklo auf dem Hof müssen dort genügen, auf einer Fläche von unter 40 Quadratmetern leben manchmal 15 Personen. Die Caritas als soziales Hilfswerk bezieht sich schon im Namen auf die Nächstenliebe als christlichen Grundwert. „Ubi caritas et amor / deus ibi ist“ singt die Kirche in einem gregorianischen Choral, „Wo Güte und Liebe / Da wohnet Gott“. Das bedeutet jedoch harte Arbeit, wenn die Freizügigkeit innerhalb der EU wie eine Rutsche wirkt, wo so viele Menschen allzu leicht nach Westen abdriften.

Dem Niedergang setzte der Facharzt für Familienmedizin und seine Caritas den Aufbau eines mobilen Pflegedienstes entgegen, eine Pionierleistung bei der Entwicklung sozialer Dienste in Rumänien. Nicht gelernte Ohnmacht, sondern Hilfe zur Selbsthilfe, ein Grundprinzip der katholischen Soziallehre, ist das Ziel. Es gibt Einrichtungen für Jugendliche, auch im schulischen und musikalischen Bereich, aber auch basale Betreuung.

Immer wieder wurden in den zwei Schulstunden auch Fragen gestellt, am Ende war eine große Nachdenklichkeit in vielen jungen Gesichter zu sehen, angesichts des Perspektivwechsels, den dieser Blick aus dem Osten auf uns hier in diesem so reichen Land bot.

Bernd Franze

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